in landschaften, architekturen oder urbanen räumen schaffen die ortsspezifischen arbeiten von claudia bosse poetische subversionen zwischen installation, choreografie, theater, gesellschaftlichen ritualen sowie formen der versammlung. in ihren künstlerischen verdichtungen beschäftigt sie sich mit mythen, formen der gewalt und konkreten utopien.
theatercombinat ist ein nomadischer produktionsorganismus für international produzierte freie kunst und theaterarbeiten unter der leitung von der künstlerin und choreografin claudia bosse. theatercombinat arbeitet inner- und außereuropäisch an ortsspezifischen kollaborationen mit verschiedenen institutionen, initiativen und künstler*innen.
theatercombinat ist gefördert von stadt wien kultur im rahmen der konzeptförderung 2022-2025.
die perser, claudia bosse / theatercombinat, theaterformen braunschweig, juni 2008, foto: christian bort
die ortsspezifischen arbeiten von claudia bosse schaffen grenzräume und übergänge zwischen installation, choreografie, theater, individuellen und kollektiven sprechakten, gesellschaftlichen ritualen sowie verschiedene formen der versammlung.
die erarbeitung in transdisziplinären teams und mehrsprachigen ensembles von künstler*innen, tänzer*innen, schauspieler*innen, performer*innen und laien mit körpern unterschiedlicher generationen prägen die arbeiten und durchdringen auf besondere weise den performativen raum, in den die zuschauer*innen im geteilten raum involviert werden. sie können sich frei durch ihn hindurch bewegen und werden teil der verschiedenen situationen, die sich zentral im raum bündeln oder auch synchron und dezentral ereignen. dabei schaffen die arbeiten zugleich soziale skulpturen als temporäre gemeinschaften einer körperlichen auseinandersetzung zu fragen unserer gegenwart.
die (urbanen) räume und architekturen werden projektspezifisch gewählt. diese räume werden mit ihrer jeweiligen dimension, struktur, textur und geschichte zu ko-autoren. die vorgefundenen räume werden als theatrale räume für die performances mit akteur*innen, chören, objekten, material und sound bearbeitet.
recherchereisen und internationale projekte schaffen neue kollaboration und wissen über andere ästhetiken, kulturelle techniken und selbstverständnisse, wie auch über konkrete politische konfliktlagen und deren auftrittsformen. diese erkenntnisse, fliessen in die künstlerischen arbeiten ein und verändern diese. transnationale kooperationen eröffnen erfahrungen über andere performative techniken, spielweisen, ästhetiken und modi der sowie zusammenarbeit mit künstler*innen und expert*innen.
anatomie sade/wittgenstein – eine choreographische theaterarbeit in 3 architekturen, claudia bosse / theatercombinat, wien 2002
theatercombinat versteht sich als ein autonomer produktionsorganismus, der an unterschiedliche strukturen und institutionen andocken kann, jedoch in der lage ist, unabhängig selbstbestimmte projekte durchzuführen und zu veröffentlichen. es geht darum, eigene öffentlichkeiten zu schaffen, wissen und struktur, räume und institutionen für projektarbeiten zu verwenden, zu befragen und zu verändern.
theater als denken mit körpern in räumen.
den performativen manifestationen gehen verdichtete recherchen voraus, die in immer wechselnden konstellationen und über mehrere jahre gestreckt verhältnisse von körpern und räumen erproben. in allen untersuchungen wird theater verstanden als öffnung von denk- und möglichkeitsräumen, deren entstehung von einer suche nach performativen skulpturen aus klang und choreografie getrieben ist und sich in raumgreifende installationen mit sensiblen wahrnehmungsbedingungen manifestieren (anatomie sade wittgenstein, 2001/03; firma raumforschung, 2004/05, tragödienproduzenten, 2006/09). stets gültiger arbeitsansatz der performativen forschungen ist ein theater der choreografischen konstellationen im umgang mit sprache und ideologien aus 2500 jahren politisch-ästhetischer geschichte, das über theaterhistoriografie, architekturen, körpern und antiken wie zeitgenössischen texten immer auch das politische im gegenwärtigen theater und dessen gesellschaftliche funktion(en) befragt.
the last IDEAL PARADISE, claudia bosse / theatercombinat, jakarta, indonesien 2020, foto: sancoyo purnomo
akustische architekturen und sound kompositionen weben sich in die jeweilige choreographie und text- und materialbasis ein. konkrete spuren und funktionen der räume werden als readymades verstanden, installativ besetzt oder erweitert und umdefiniert. bestehende wirklichkeiten überlagern sich durch großräumige installative und performative mittel.
wiederkehrend ist der einsatz von chor und die chorische erarbeitung von bewegungen, theatertexten, partituren und aktionen. chor als aushandlung eines hybriden gesamtkörpers, als kollektive aktion, als organisation von vielen, als gesellschaftlicher körper, generationenübergreifend und in unterschiedlichen formen: als sprechchor oder gesangschor, als bewegungschor der kollektiv konstellationen im raum mit den zuschauer*innen schafft und verändert oder in situ chor, der sich über eine einfache vereinbarung trifft, eine handlung gemeinsam ausführt, spricht, liest oder bewegt.
a first step to IDEAL PARADISE, claudia bosse / theatercombinat, donaufestival krems,
juni 2015, foto: claudia bosse
die arbeit mit dem eigenen audio-/medienarchiv aus arbeitsmaterialien, interviewsammlungen, autofiktionen der darsteller*innen und o-ton-dokumenten zu politische gedanken und fragestellungen aus verschiedenen geo- politischen kontexten, entwickelt sich mit den projekten organisch weiter (some democratic fictions, 2011/15) und lässt politische hybride entstehen, die sich aus verschiedenen textsorten - zusammengetragen, erweitert, verwebt, zerlegt - zusammensetzen. textsorten, die sich aufeinander schlagen, überlagern und gegenseitig informieren, appellieren an die haltung des*r zuschauer*in und entziehen sich dem kontextualisierten labeling autorisierter autor*innenschaft (vampires of the 21st century oder was also tun?, 2011).
168 stunden (a tribute to everyday life and franz erhard walther), claudia bosse / theatercombinat, tanzquartier wien 2018, foto: eva würdinger
theater als ein weiterdenken mit körpern in räumen.
theater von claudia bosse sind theatrale arbeitszyklen, die sich palimpsets-artig überlagen, überschneiden, bedingen, sich fortführen. immer geht es auch um das (er)finden kultureller organismen als künstlerische, widerständige und sich aufeinander beziehende gefüge - um neue künstlerische ökologien, als (über)lebenszellen unserer gesellschaft (ORGAN/ISMUS – poetik der relationen, 2022/25).
studierte schauspielregie an der hochschule für schauspielkunst ernst busch berlin. sie ist regisseurin, choreografin, künstlerin und leitet theatercombinat, eine transdisziplinäre kompanie, die sie 1997 in berlin mitbegründete und ihren sitz in wien hat. ihre arbeiten verhandeln formen von gewalt, geschichte und konkrete utopien. als kunst einer temporären gemeinschaft versteht sie ihre raumgreifenden choreographien, bei denen sie mythen, rituale, texte und dokumente mit körpern, sprache, objekten und chören zu raumspezifischen stücken verschränkt. innerhalb und außerhalb europas, in museen, architekturen und stadträumen praktiziert sie dieses (oft chorische) denken mit körpern in mit den zuschauer*innen geteilten räumen. zu ihrer praxis zählen installationen, performances und interventionen im öffentlichen raum, wie auch lectures, workshops, sowie gastprofessuren und dozenturen an verschiedenen akademien und universitäten.
sie erhielt 2009 den nestroypreis für bambiland08 und wurde 2018 mit the last IDEAL PARADISE zur deutschen tanzplattform eingeladen.
seit 2011 entstehen zudem objekte und installative arbeiten in der auseinandersetzung mit archiven und museumssammlungen, wie leopold museum wien, museum of contemporary art zagreb, weltmuseum wien, stadtarchiv düsseldorf oder museu da imigracao in são paulo ua.
grü500 - les perses –
théâtre du grütli, hg. imanol atorragasti, claudia bosse, sophie klimis und michèle pralong, genf 2006.
anatomie sade/wittgenstein –
eine choreographische theaterarbeit in 3 architekturen; triton verlag, hg. claudia bosse, markus keim, andreas pronegg, christine standfest und doris uhlich, wien 2002.