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zu einem vortrag (vortragstext) von dem wiener künstler christian mayer zu "imaginäre reisen", gehalten am 22.11.2004 als dritter beitrag der subreihe "wallpaper- bilder des wohnens" vom büro für kognitiven urbanismus (doku vom 27.09.2004 "wohnen heisst leben in bildern" von sonia leimer raummodul 4 und raummodul 8 am 25.10.2004 andreas spiegl+christian teckert vortrag "wallpaper- bilder des wohnens")
"Eine Methode, die Vorstellung von etwas Eigenem, von einer Eigenheit zu stützen, bestand im 18. und 19. Jahrhundert darin, die kolonialistische Repräsentation von etwas Anderem und Fremden, von der Fremde und Fremdheit zu konstruieren. Wenn man schon nicht sagen konnte, was diese Eigenheit sein sollte, so galt das Fremde und Andere zumindest als Differenzierungspotential für das Eigene, das sich von jenem unterschied. Für den dritten Vortrag in der Reihe »wallpaper« wurde Christian Mayer eingeladen, seine Arbeiten vorzustellen. Zur Diskussion stand ein Projekt, das den Spuren einer Brasilienexpedition im frühen 19. Jahrhundert folgte und der Frage nachging, wie eine Dokumentation dieser Spuren unter postkolonialen Gesichtspunkten aussehen könnte. Anstelle aktualisierte Bilder dieser Fremdheit zu liefern, stellte Mayer ein Video vor, das sich der klassischen Bildproduktion verweigerte, um der Übersetzung und Übersetzungspolitik im Dokumentationsmaterial selbst Raum zu gewähren. Anstelle eines Panoramas kultureller Differenzen wurde die imaginäre Dimension der Reise und damit der imaginäre Raum des Subjekts dokumentiert. Die Tatsache, dass dieser imaginäre Raum konstitutiv ist für die Lokalisierung eines Subjekts, führte Christian Mayer dazu, dieser Reise auch da nachzugehen, wo von einer Reise im eigentlichen Sinne nicht gesprochen werden kann: ausgehend von den Panoramen und Dioramen im frühen 19. Jahrhundert führte sein Exkurs in das »Venedig in Wien«, einem Vergnügungspark im späten 19. Jahrhundert, der den Besuchern erlaubte, sich inmitten von Wien in Venedig zu fühlen. Paradigmatisch konnte man damit schon vor der Erfindung des Films und Kinos die Stadt verlassen ohne die Stadt verlassen zu müssen. Auf Wienerisch könnte man sagen: Man ging (raumpolitisch) fremd ohne in die Fremde zu müssen. Konsequent führte diese Abwesenheit trotz der Anwesenheit nicht an der Wohnung und den »eigenen« vier Wänden vorbei. Wenn im Kontext der Reihe »wallpaper« auch von Bildern des Wohnens die Rede ist, dann in diesem Sinne – einer Inszenierung des Privatraums als Anderswo: was als Innen gedacht war, erscheint als Außen für ein Subjekt, das sich selbst bereist – und sei es daheim."
büro für kognitiven urbanismus |