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claudia bosse / theatercombinat


juni 1997 sinn egal. körper zwecklos elfriede jelinek, uraufführung im rahmen des festivals reich und berühmt, podewil, berlin (d)

presse   « es werden bei jeder vorstellung alle komplett ausgewechselt und machen jedes mal etwas ganz neues. sie haben einen vorrat an möglichen spielzügen, aber nichts wird, ähnlich unserer kleidung, ganz genauso wiederholt wie es war. nur die zeit bedroht uns alle mit dem vergehen! theater darf es nicht mehr geben. » (elfriede jelinek)

ansatz der jelinek-aktion war, die arbeitszeit gleichzusetzen mit der dauer der theater-werkstatt «reich & berühmt». drei versuche waren öffentlich. sie stellten annäherungen, versuchsanordnungen zum text dar - das gegenteil von gesichertem arbeiten. ziel der untersuchung war es, die etwaige einheit von körper und sprache völlig aufzulösen, so dass sich weder körperliche abläufe aus sprachlichen ergeben, noch umgekehrt.

 

theatercombinat: claudia bosse, dominika duchnik, heike müller, silke rosenthal, gäste: angelika sauter, unsere nachbarn und verwandten u.v.a.

1ne woche werkstatt + 3 veröffentlichungen

uraufführung im rahmen des festivals «reich und berühmt», podewil, berlin

theatercombinat arbeitete seit 1996 im podewil, berlin.

beteiligt waren regisseure, schauspieler und bildende künstler.


 

 

  beschreibung des werkstatt verlaufs und der 3 aktionen
mit beginn des festivals am 5.05.97 um 0.00h zogen wir ins podewil ein und errichteten in einem raum unsere schlafstatt. die verabredung war, jede bereitet sich allein mit den texten «ich möchte seicht sein», «sinn egal. körper zwecklos.» und «stecken, stab und stangl» von elfriede jelinek auf die aktion vor. unsere gemeinsame arbeitszeit begann mit dem beginn von«reich und berühmt». wir vereinbarten, nachts zu arbeiten und tagsüber «öffentlich» zu schlafen. man konnte uns also tags beim schlafen zusehen oder nachts bei den proben besuchen. im verlauf unserer nächtlichen proben ergaben sich für die von vornherein an drei terminen um mitternacht angesetzten im folgenden beschriebenen versuche mit publikum. jeder der sieben tage wurde von jeweils 24h-12h mit video dokumentiert.

1. veröffentlichung am 7.05
um 0.00h: jede darstellerin war in einem der 5 aneinander grenzenden büroräume des podewil mit den haaren an der decke fixiert, unterschiedlich be- oder entkleidet vor jeweils einem der mikrofone. die lautsprecher waren auf dem verbindenden gang dieser 5 räume aufgestellt. im 5. raum, unserem schlafraum, hing an einem band von der decke ein cassettenrecorder, aus dem elfriede jelinek selbst den text «sinn egal. körper zwecklos.» sprach. die darstellerinnen improvisierten akustisch mit textteilen aus «stecken stab und stangl» sowie «ich möchte seicht sein»: eine musikalische komposition, bei der die besucher nahe zu den einzelnen darstellerinnen - die jeweils voll bekleidet, oben nackt, unten nackt oder ganz nackt und, wie schon erwähnt, mit den haaren an die decke fixiert waren - in die einzelnen räume treten konnten oder aber den durch lautsprechern auf den gang übertragenen textcollagen von ausserhalb der räume aus folgen konnten. nach zwei stunden habe ich jede darstellerin mit einer schere an den haaren von ihrer kopffixierung abgeschnitten, damit war die aktion beendet.

2. veröffentlichung am 9.05
um 0.00h: die dauer war ident mit dem 1. versuch. die gleichen räume wurden benutzt. die mikrofone, an denen die darstellerinnen standen, sind eingeschaltet, die jelinek texte wie «stecken, stab und stangl», «ich möchte seicht sein» liegen daneben. die reste der haare der abgeschnittenen darstellerinnen hängen von der decke an stricken vor den mikrophonen. wir liegen zu fünft auf den betten, die augen geschlossen, und sprechen, uns abwechselnd, chorisch, leise den «sinn egal. körper zwecklos.» text. wir versuchen ein lächeln auf dem gesicht zu bewahren und egal, was passiert, mit geschlossenen augen liegen zu bleiben und den text ruhig weiterzusprechen. an den mikrophonen versuchten einige, mit den texten zu arbeiten, andere erzählten irgendwas, um witzig zu sein. wir haben geschehen lassen, was mit diesem angebot gemacht wurde. einige kamen so nah mit ihren gesichtern zu uns, dass man den atem spürte. nach exakt 2 stunden wurde die aktion beendet.

3. veröffentlichung am 11.05.
um 0.00h: in der eingangshalle des podewil sind sitzgelegenheiten, texte und mikrofone verteilt. die räume im ersten stock bleiben geöffnet, oben wird ein video unserer arbeits - und schlafdokumentation gezeigt. nachbarn, freunde und verwandte haben wir eingeladen, nach spielregeln gemeinsam «stecken, stab und stangl» zu lesen, in der halle verteilt, auf sofas sitzend, in mikrofone sprechend. die lesungen wurden in den ersten stock, den hinterhof, sowie auf die strasse übertragen. wir umsäumen mit sich wiederholenden bewegungsfolgen den hauptraum, die halle: silke im schacht des stiegenhauses mit armbewegungen, dominika im gang zum ersten stock mit schlagbewegungen. heike rannte von der strasse in die eingangshalle und zurück auf die strasse, an den zwei ankündigungs-videobildschirmen des podewil vorbei, auf denen die anderen beiden veröffentlichungen zu sehen waren, auch die zuschauer von den tagen zuvor, die nun wieder da sind und auf dem video zu beobachten sind. ich gehe im hof eine strecke in zeitlupe zu dem aus den lautsprechern kommenden lesen der besucher.

das lesen der nachbarn, freunde, verwandten mischte sich mit dem lesen von den besuchern/gästen. die gäste/besucher hatten die komplette verfügung über den text und dessen auswahl und gestaltung. wir säumten/rahmten mit sich wiederholenden bewegungen den großen sozialen lesekörper.

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