theatercombinat | 06.09. – 20.12.2004 firma raumforschung recherche und diskursive veranstaltungsserie zur «produktion des raums», montagsclubRAUM zieglergasse 40, wien (a)

sprache: deutsch

kritiken und material

vorstellung firma raumforschung

publikation: skizzen des verschwindens

raum ist politisch

firma raumforschung im palais donaustadt

  firma raumforschung

von claudia bosse

vorstellung am 6.09.2004

nach versuchen in unterschiedlichen architekturen, wie bei massakermykene gemeinsam mit josef szeiler 2 jahre lang im ehemaligen schlachthof st. marx, einer verlassenen fleischindustrie-architektur in wien aus der wende zum 20. jahrhundert mit einem areal von 22.000 qm; in SIEBEN orten des mühlviertels an öffentlichen plätzen, die über 93 km mit einem bus verbunden wurden; nach einer 600 m langen installation zum SCHLAFen entlang des düsseldorfer rheinufers; einem gewerberohbau von BKK- 3 während der bauarbeiten am lerchenfelder gürtel bei anatomie sade/wittgenstein; in einem leerstehenden schwimmstadion in podgorica, der hauptstadt montenegros; oder einer zum kunstort umgebauten ehemaligen hafenkranfabrik in hamburg, kampnagel (beides "mauser " von heiner müller), kamen vor über einem jahr die fragen auf, in welchen architekturen, raumkonzepten und städtischen kontexten man weiterhin mit/an orten arbeiten kann, will man einerseits die blackboxes der kulturindustrie nicht als einzigen möglichen architektonischen kontext akzeptieren und andererseits orte nicht ausschließlich als atmosphärische aufladungen missbrauchen, sondern über unterschiedliche räume, differente architektonische strukturen, dimensionen, proportionen, funktionen in von zuschauern und spielern geteilten räumen arbeiten.

es geht um die frage nach räumen oder orten, an denen wir theatrale investitionen vornehmen, die über ästhetische praktiken in diesen räumen sowohl theatrale ästhetiken und selbstverständnisse befragen, als auch gesellschaftliche dimensionen durch die verschoben-ästhetische befragung dieser räume mit ihren zeitstruktren reflektieren und im besten falle auch die gesellschaftliche praxis außerhalb dieser orte zum material gesellschaftlicher reflexion und räumlicher praxis machen.



bei der suche nach weiteren fragestellungen gab es eine zeitlang die überlegung, mit ungebauter architektur zu arbeiten, d.h. mit architektonischen entwürfen, die nicht realisiert worden sind. von dieser fragestellung haben wir wieder abstand genommen und begannen mit einer recherche hinsichtlich der frage: was ist eigentlich raum?
fast jeder im ästhetischen bereich behauptet, er arbeite mit raum. dennoch sind unter diesem begriff sehr differente anschauungen und praktiken zu verstehen.

wir begannen aus der reflektion unserer praxis die perspektive zu befragen, d.h., wie wir geometrische strukturen an orten benutzen, unter welchen voraussetzungen wir uns ästhetisch in räumen organisieren. was ist perspektive, als mathematische konstruktion einer relationalen abbildung von gegenständen und objekten? welche raumbegriffe gibt es in der philosophie, wie und unter welchen naturwissenschaftlichen erkenntnissen haben diese sich verändert? wie funktioniert der sehvorgang, wie hat sich die kenntnis vom sehen verändert? wie wird raum wahrgenommen? was ist der unterschied von bild und raum?
die fragen sind gestellt unter der maßgabe, dass raum nicht als gegeben oder als zu betrachtendes gegenüber anzunehmen ist, sondern, mit henry lefebvre, immer erst produziert wird - so ist dies auch der titel unserer veranstaltungsreihe: produktion des raums.

raum wird in der soziologie verhandelt als konstitition von räumen, als paralleles wirken von spacing von materiellen gütern und synthese, das den raum erst herstellt (martina löw). dadurch ist raum ein aushandlungsprozess sozialer vorgänge (bourdieu). wie wird raumwahrnehmung/synthese und spacing durch alltagsroutinen in raumbenutzungen geprägt? in welchen strukturen und bildern lebt man, wohnt man?
eine auswahl von textmaterialien findet man in den taschen an der wand im hinteren raum.

diese veranstaltungsreihe will also der frage nach der produktion des raums nachgehen. das projekt firma raumforschuung ist eines von dreien unserer theatralen praxis, die 2005 entwickelt werden sollen. bis ende dieses jahres nun soll dieser ort, der clubRAUM, zum diskussions- installations- und kommunikationsort werden für methoden, anschauungen und historische materialien zum verständnis und der definition von raum – zu dem dirk baecker sagt, unter dem begriff des raumes sei eher der verlust einer orientierung als der neugewinn einer ordnung zu verstehen.

die veranstaltungen der firma raumforschung werden jeden ersten montag vorträge präsentieren, die aus historischen perspektiven aus der kulturwissenschaft, philosophie, kunstgeschichte und soziologie die frage der produktion des raums stellen.
jeden zweiten montag werden exzessiv gerald raunig und stefan nowotny anhand eines zweiergesprächs über 7 stunden raumbegriffe der situationistischen internationale, von gilles deleuze bis hin zu de- territorialen praktiken des politischen aktivismus entwickeln. parallel zu ihrer diskursentwicklung, die im moment stattfinden wird, werden filmmaterialien gezeigt.
jeder dritte montag ist raumpraktiken gewidmet, von architektonischen methoden (liquifer, theNextenterprise) zu den leeräumen unter der stadt, die beim bau der u-bahn enstanden sind, über raumpraktiken von hiesigen choreographen und theaterschaffenden bis hin zu raumstrategien der kunstszene sowie der clubkultur.
jeder vierte montag ist wiederum eine subreihe, die von andreas spiegl und christian teckert/ büro für kognitiven urbanismus veranwortet wird. sie werden sowohl selbst auftreten als auch architekten und theoretiker zum thema "wallpaper-bilder des wohnen" einladen.

wir hoffen, hier perspektiven oder auch politische alternativen als kulturpolitische investitionen innerhalb der raumverständnisse der ästhetischen und politischen praktiken in wien entwickeln zu können.
im anschluss an die vorträge, gespräche usw. gibt es eine bar als kommunikationsmöglichkeit über weitere fragen des raumes - ein salon.
wir verstehen den montags clubRAUM als serie zu produktion des raums und als eine form der theatralen praxis und diskursbildung. wir hoffen, Sie werden unseren vorschlägen und eventuell auch abwegen folgen. das projekt soll auch im kommenden jahr weitergeführt werden.


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