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25.10.2004 vortrag von andreas spiegl + christian teckert/büro für kognitiven urbanismus, "wallpaper-bilder des wohnens", der zweite teil ihrer gleichnamigen subreihe innerhalb von firma raumforschung. (doku ihres ersten beitrags)
ankündigung vortrag
"Der Vortrag wird einen Raumbegriff beleuchten, der in seinen medialen und vor allem filmischen Fassungen die Extensionen territorialer Grenzvorstellungen thematisiert. Eingeschrieben in diese Logik der Raumbilder sind Versprechungen, die Räume in ihren Grenzvorstellungen gleichermaßen bestätigen und auflösen. Diese Versprechungen organisieren eine Tektonik aus Anwesenheit und Abwesenheit, deren Verhandlung und Verhandelbarkeit zur Diskussion gestellt wird. Ob eine Wand stehen bleibt oder nicht, ist weniger eine Frage der Statik, sondern der kulturellen Konvention, mit der Wand eine Wand, einen Schirm oder schlicht ein Bild zu
assoziieren. Beispiele von Protagonisten, die durch die Wand gehen können oder sich an mehreren Orten gleichzeitig aufhalten, haben in der Literatur und im Film Tradition. Anhand von ausgewählten Beispielen aus
zeitgenössischen Filmen wird dabei dem Begriff des telematischen Subjekts nachgegangen." büro für kognitiven urbanismus
fotos vom 25.10. daniel aschwanden
modul 8
Als Ort einer gegenwärtigen Auseinandersetzung mit den Mechanismen von Bildproduktion im Räumlichen erscheinen speziell ostasiatische Städte signifikant, weil dort die filmische Auseinandersetzung mit dem städtischen Raum als Symptom einer »2. Moderne« (van Toorn) und mit den Bild- und Blickkulturen des urbanen Gefüges am weitesten vorangetrieben wird.
Entscheidend dabei ist die Herausbildung eines spezifischen »panoramatischen Blicks« der gegenwärtigen Alltäglichkeit einer »2. Moderne«. Dabei liegt das Panoramatische hier weniger in der tableauartigen Repräsentation eines anderen Ortes als vielmehr im Nebeneinander unterschiedlicher Räume und Zeiten durch die diversen medialen Apparaturen.
So beinhalten speziell Filme des "taiwanese new cinema", von Edward Yang (”Yi Yi”, ”Terrorizer”, ”Taipei Story”...) oder Tsai Ming Liang (”Vive l’amour”, ”The River”, ”What Time is it there?”...) ein schier unerschöpfliches Reservoir an Raumbildern, die ein Subjekt rahmen und adressieren, das um die Kontingenz seiner jeweiligen Identität und Verortung weiß.
Die omnipräsenten, in die Narrative eingeflochtenen Mobiltelefone,
Anrufbeantworter,Fernseher, Computerscreens oder Internetspiele legen von der Verhandlung gegenwärtiger Identitäten genauso Zeugnis ab wie die vielen Spiegelungsmotive, Glasfassaden, Doppelbilder und Innen-Aussen-Komplikationen von der Immaterialität des Raums, der hier zur Disposition steht. Sie beschreiben einen Zustand des permanenten Anderswo, der permanenten Überlagerung und Hybridisierung dislozierter Räume. Das ist der panoramatische Raum 2.Ordnung, wenn man so will. Das Filmbild ist ein Instrument zur Untersuchung und Verhandlung der zeitgenössichen Lokalisierung des Subjekts. Im Gegensatz zu vielen anderen Orten des zeitgenössischen Films zeigt sich speziell im asiatischen Kino immer wieder ein deutliches Begehren nach der Auseinandersetzung mit Alltagspraktiken, die ein allgemeines Verständnis von Raum und Zeit grundlegend infragestellen.
Hat Deleuze mit dem Bild des Kristalls die Komplexität von Zeithorizonten im Kino der europäischen Moderne identifiziert, die sich etwa über »inkommensurable Anschlüsse« zeigt, die sich also »zwischen« den Bildern zeigt, geht es hier wieder um ein Raumbild, in dem sich inkommensurable Orte anordnen und verhandeln lassen. Frederic Jameson identifizierte bereits in dem 1992 erschienen Essay ”Remapping Taipei” den speziellen filmischen Stil des taiwanesischen jungen Films als paradigmatisch für eine Neupositionierung der Subjektivität in einer neuen relationalen, ”geopolitischen Ästhetik”:
This new technique of a mid-panoramic-perspective becomes not merely a stylistic signature for the newer PRC (post-realist-chinese) cinema: it affirms its epic narrativity, by directing attention to a panning across the frieze, as in traditional painterly story-telling, at the same time as it defamillarizes the conventional relationship of human bodies and their landscape contexts, allowing them to be grasped not independently (in old-fashioned ways), but rather in some new symbiotic relationship of volume to each other which remains to be determined. This epic shot is thus a symbolic act which promises some new Utopian combination of what used to be subject and object.
Frederic Jameson, in: ”The Geopolitical Aesthetic”
Die gleichzeitige Sichtbarkeit unterschiedlichster abwesender, repräsentierter Räume allerdings lässt auch die ihnen je eingeschriebene Zeitlichkeit zum Thema werden. Die Zeithorizonte setzen sich nicht mehr, wie im von Deleuze analysierten europäischen Kino der Moderne, primär in der erinnerten Sukzession der Wahrnehmung des Films zusammen, sondern erscheinen gleichzeitig, sich überlagernd und verschneidend im gleichen (Raum)bild. Interessant erscheint in diesem Zusammenhang vor allem das Moment der transkulturellen Bezugnahme auf die Moderne europäischer Prägung, deren abhanden gekommenes utopisches Moment in den Zeiträumen des taiwanesischen Kinos unter postkolonialen Bedingungen wieder auftaucht. Hierin liegt auch die spezifische Fähigkeit einen postkolonialen ”Zwischen-Zeitraum” zu visualisieren, wie es auch Fran Martin andeutet:
”What Time is it there?” reflexively foregrounds the question of transcultural citation, drawing attention to the history of citations by Taiwan New Cinema and second wave directors of aspects of the European new wave cinemas. Second, in its preoccupation with time, the film explores the question of postcolonial temporality. Analysis of the representation and experience of time makes up a significant strand in postcolonial scholarship, from Johannes Fabian's thesis that chronopolitics – the politics of time - constitutes the ideological foundation of geopolitics, to Horni Bhabhas theorization, via Fanon, of the "postcolonial time-lag." I argue, then, that Tsai's film indexes a charactetistically postcolonial relation to time that I call lemporal dysphoria: a disorientation in relation to time rather than space. Designating something analogous to motion-sickness (time-sickness?) that subjective effect of the regime of cultural time-lag as experienced by postcolonial subjects, this temporal dysphoria underlines the enduring effects of the former, strongly hierarchized relations between centre and periphery; west and non-west; and, arguably, between European film and its "others."
Fran Martin, in: ”The European Undead: Tsai Ming Liang’s Temporal Dysphoria” |