en / de

claudia bosse / theatercombinat


02.09. - 30.09.2005 palais donaustadt – ein temporärer installativer kunstraum in der donau city wien mit ballet palais, firma raumforschung, archiv im palais, film im palais, picknick am wegesrand (a)

kritiken

konzeption / installation
raum ist politisch

ballet palais
firma raumforschung
film im palais
archiv im palais
picknick am wegesrand

publikation: skizzen des verschwindens

 

die arbeiten des theatercombinat erschaffen und erkunden neue, experimentelle aktions- und wahrnehmungsräume, grenzbereiche zwischen bildender kunst, theater und tanz, theorie und architektur: in den monaten juni bis august 2005 wurde eine theatrale inszenierung auf einem begrenzten areal, einem leeren baugrund der donau city, entwickelt, die im september gezeigt wurde. dieser erweiterte theaterraum versteht sich als installative markierung eines räumlichen ready-mades, als bühnenraum.

ballet palais bildet den zweiten teil einer reihe theatraler recherchen zum thema bild- und raumwahrnehmung, die 2005 in einem ehemaligen jüdischen theater im nestroyhof mit ou est donc le tableau begonnen wurde.


ballet palais - eine raumzeitliche fantasie in kollision mit ihrem funktionalisierten gesellschaftlichen umfeld

von + mit markus keim, julia reinartz, angela schubot, matthew smith, christine standfest und doris uhlich, choreographie/regie: claudia bosse

premiere: 2.9.2005, 13 aufführungen

 

zweifel am bild
zweifel am sehen
zweifel am betrachter

fragmentary reconstruction
die handlung ist beliebig
da die folgen vergangenheit sind
nämlich der beobachter stehe unter beobachtung


heiner müller

 

auf welche weise kann dieser raum konzentration schaffen, wie kann mit den blickregimen zwischen akteur und betrachter, zwischen den zufällig vorbeigehenden oder den arbeitenden in den büros umgegangen werden? wie wirken sich wetter- und lichtverhältnisse auf die theatrale arbeit aus? wie kann auf äußere einflüsse, geräusche, störungen der umwelt reagiert werden? welche funktion übernehmen installative eingriffe, und können wir mit der endlosigkeit des gegebenen installationsraums umgehen?

die weite des horizonts über die donau hinweg kontrastiert mit den vertikalen schichtungen der bürohochhäuser. im gegensatz zum kleinen theaterraum der nestroysäle scheint der raum unbegrenzt, undefiniert, der blick bleibt flüchtig. der umgebende gebaute und soziale kontext ist teil des raums und seiner untersuchung.

die körper durchmessen das gelände jenseits von gesten der repräsentation und konfrontieren ihre bewegungen mit dem ort und seinen reibungsflächen von kunst und alltag. innerhalb dieser rahmung aktualisieren sechs tänzer/akteure das zuvor erarbeitete gestische bewegungsvokabular in verschiedenen kombinationen und variationen, nach augenfälligen und für den zuschauer mental rekonstruierbaren spielregeln - sowie unvorhersehbaren variationen und neukombinationen dieser regeln. in dieser versuchsanordnung werden verschiebungen, überschreibungen und übermalungen produziert: dezentrierte raumensembles, die den betrachter in den raum setzen - in seiner physischen präsenz als bestandteil des bewegten bildraums bzw. seiner distanz als betrachtender, und mittels allgemeiner, kulturell erlernter bzw. individueller kognitiver partizipation und antizipation in der wahrnehmung.

fragen, claudia bosse vom juni 2005


 


clip: tina wimmer


weißer raum, weiße zeit
claudia bosse

  dramaturgien von aufmerksamkeit. der raum wird stillgestellt durch die bewegungen der körper, verlangsamt, zuweilen beschleunigt, dadurch beobachtbar. der raum wird stillgestellt, konzentriert, dadurch hörbar. die weite des raumes, seine dimensionen, werden von 6 körpern bestritten. raum wird durch ergehen ergriffen, zeit verfasst. andere zeiten entstehen durch das rhythmische verfertigen von einfachen vorgängen wie gehen und stehen, durch die zeugenschaft der zuschauer in ihrer physischen anwesenheit, im versinken in einen anderen modus der rezeption. der luxus einer stille, die lärmt durch die vorbeifahrenden autos, ohne gesprochene worte. der luxus, zeit zu bekommen. sprünge im raum, sprünge in der zeit. sprünge in der wahrnehmung. wiederholungen, erzeugen einen resonanzraum für gewesenes und veränderungen. einen resonanzraum für die geschichte, die sich soeben eingeschrieben hatte und schon verschwunden ist. die spuren der körper bleiben, raumspuren. alles andere verändert sich. die chorische organisation der körper hebt sich ab von den versprechen des individualisierten umfelds, das keines ist. eine organisation von körpern, die aufeinander reagieren. eine utopie von bedingtem, sich bedingenden gesten und wegen im raum, regeln. dieser raum wird geteilt mit den zuschauern, mit den passanten. die passanten können die gesten der zuschauer beobachten beim zuschauen, diese in bezug setzten zu und gegenlesen mit den raumwegen und gesten der körper. die zuschauer können die bewegung der passanten vergleichen und gegenlesen mit den bewegungen der tänzer, und den bewegungen der anderen sich bewegenden zuschauer. kollektives produzieren in raum und zeit und gemeinsames lesen, vermessen eines ortes.

der raum und das agieren der körper sind luxus und forderung für die selbstverständnisse und das begehren in der rezeption.

ein rest in weiß, ein noch nicht oder anders, wird zum weißen raum, zu einer geteilten weißen zeit.

www.theatercombinat.com theatrale produktion und rezeption