theatercombinat | 11.9.2009 bambiland's day düsseldorf - eine akustisch-performative stadtinstallation mit einem text von elfriede jelinek, kooperation mit forum freies theater im rahmen der fft serie «rückeroberung des politischen» (d)

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rheinische post
westdeutsche zeitung
 

rheinische post, 12.09.2009

THEATER-HASEN EROBERN DIE ALTSTADT
von Dagny Rössler

Die junge Regisseurin Claudia Bosse und das Theatercombinat Wien haben für das FFT in der Altstadt Elfriede Jelineks Stück „Bambiland“ aufgeführt – als Stadtinstallation mit öffentlicher Hörspielbeschallung sowie Bambis und Hasen, die sich unter die Leute mischten. Eine Reportage.

Ein menschengroßer Plüschhase steht an der Straßenbahnhaltestelle. „Wo kommst du denn her?“ Keine Antwort. Der Hase kramt nur in seiner Aldi-Tüte, holt einen Zettel hervor. „Bambiland“ steht darauf in großen Lettern. Die Leute lassen sich beim Anblick des Hasen nichts anmerken. In der Straßenbahn kramt der Hase wieder in seiner Tüte, diesmal kommt ein Buch zum Vorschein. Elfriede Jelineks „Bambiland“. Darin vermischt die Literaturnobelpreisträgerin den Text vom griechischen Tragödiendichter Aischylos über die Schlacht bei Salamis mit Medienberichten zum Irakkrieg. Plus „eine Prise Nietzsche“, wie die Autorin selbst verraten hat. Der Hase liest. Plötzlich beginnt er zu flüstern. Er kann ja doch reden. Die Stimme des Hasen wird immer lauter: „Nur weil ein Krieg herrscht, muss mir nicht gleich jeder fehlen, der in ihm fällt!“ Nun schauen die Leute auf, können den Hasen nicht mehr ignorieren. Sie recken ihre Hälse, schütteln ihre Köpfe. Der Straßenbahn- und U-Bahn-Auftritt ist nur ein Teil der Aktionen zur großen Stadtinstallation von Claudia Boses und dem Theatercombinat Wien. Einen Tag lang wird der Stadtraum Düsseldorfs zur Spielwiese. Auf dem Heinrich-Heine-Platz wimmelt es nur so von Rehen und Hasen mit Aldi-Tüten in der der Hand. Sie stehen herum, blicken niemanden direkt an. Unter den Kostümen stecken Studenten der Ruhr-Universität Bochum.

Zu diesem seltsamen Auftritt ertönt ein Hörspiel in der gesamten Altstadt. Aus Lautsprechern ist die Stimme Anne Bennents zu hören: „Es raubt uns den Verstand, wenn wir's nicht kriegen. Wo ist jetzt das ganze Öl hin, ungenutzt? Es brennt. Es brennt.“ Plötzlich gehen alle auseinander. Ein Reh kommt direkt auf die Passanten zu. Jetzt fährt es die Rolltreppe hinunter. „Moral als Instinkt und Verneinung des Lebens“, schallt es weiter. Andreas Gritzner genießt heute seinen freien Tag. Er bleibt stehen und nimmt sich einen Flyer. Er findet die Aktion spannend: „Der Text ist heftig, aber die Idee ist gut.“ Er werde später noch einmal vorbeischauen, sagt er. Zwölf Stunden schallt die Stimme der Wienerin Benennt von den Dächern des Wilhelm-Marx-Hauses, der Kunsthalle und des Schlossturms. Ein älterer Herr fragt das Team vom Forum Freies Theater, das die Theateraktion begleitet, im Vorbeigehen: „Ist hier was Besonderes?“ Andere schlendern erst vorbei und gucken heimlich aus der Ferne.

Am Fuße des Schlossturms lassen sich Tanja und Nehir in gemütliche Sofas sinken, die für diesen Tag aufgestellt wurden. „Schön chillig hier“, sagt Tanja. Mit Blick auf den Rhein lauschen sie dem Theatertext. „Wir dachten erst, das hätte was mit der Kirche zu tun, weil gerade Jesus erwähnt wurde.“ Die beiden machen gerade Pause. Sie finden es gut, wenn Leute durch Kunst zum Nachdenken gebracht werden, auch wenn das Happening auf sie zu Beginn etwas „wahnsinnig“ wirkt. Sarah Böger, Praktikantin des FFT, klärt die beiden auf. Und dann erzählt die Studentin der Medien- und Kulturwissenschaft den Passanten noch, dass später die Tiere noch für den Weltfrieden demonstrieren werden. Nehir sagt: „Für den Weltfrieden aktiv zu werden, ist immer gut.“

„Es ist interessant, die Leute zu beobachten“, erzählt FFT-Praktikantin Böger. Sie antwortet gerne auf die Frage, die heute am häufigsten gestellt wird: „Was ist eigentlich Bambiland?“

INFO
Bambiland's Day
In ihrem Theaterstück „Bambiland“ führt Elfriede Jelinek zwei Schlachtfelder zusammen: das der Schlacht von Salamis im Jahre 480 v. Chr. Und das des Irakkrieges von 2003.
Die Theatermacherin Claudia Bosse trägt den sprachgewaltigen Text der Literatur-Nobelpreisträgerin direkt in den urbanen Raum.
Bereits vom 15. Oktober bis zum 4. November 2008 nutzte das Theatercombinat die Wiener Innenstadt als Bühne.



rheinische post
westdeutsche zeitung
 

westdeutsche zeitung, 11.09.2009

INSZENIERTE DEMO MIT TEXTEN VON JELINEK
Von Eva Pfister

Menschen in Hasen- und Rehkostümen spielten einen Tag lang "Bambiland".

Düsseldorf. Es ist derzeit nicht leicht, die Stadt in einen theatralischen Raum zu verwandeln: Zu viele Baustellen blockieren mit ihrem Lärm die Wahrnehmung. Am Grabbeplatz vernebelte am Freitagmorgen der Staub der Abrissbirnen die Sinne, dabei schallte auch vor der Kunsthalle die Stimme Anne Bennents aus Lautsprechern.
Ruhiger war es in der „Hörstation“ der Galerie Schmela, da konnte man konzentriert der Klage über den Krieg lauschen, die Elfriede Jelinek sich bei Aischylos für „Bambiland“, ihrer dramatischen Tirade gegen den Irakkrieg, ausgeborgt hatte.
Nicht zufällig haben Claudia Bosse und ihr „theatercombinat“ den 11. September für ihre Aktion in Düsseldorf gewählt. Acht Jahre ist es her, dass die Terroranschläge in New York einen neuen Krieg herbeigeführt haben. Die Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek kämpfte mit ihrem Text vor allem gegen die vernebelnde und manipulierende Berichterstattung der Medien an.

Bambiland: Keine Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung

Auf dem Schlossplatz erklangen hoch vom Turm herunter Flüche gegen Rumsfeld und Bush. Der Ordnungsdienst erkundigte sich bei der jungen Frau mit dem „Bambiland“-T-Shirt, worum es sich handelt. Dann gingen sie beruhigt weiter: keine Störung der öffentlichen Ordnung.
Am Nachmittag schien sich etwas mehr Aktivität anzubahnen: Die Bereitschaftspolizei ist zu Stelle, denn eine „Demo für den Weltfrieden“ war angekündigt: Und dann kamen sie, die paar Hasen und Rehe, Akteure mit entsprechend Kopfbedeckungen und simplen Papp-Schildern.
Sie standen den Passanten im Wege und skandierten Schlagworte wie: „Stop the War! - We can stop the iraq war. Yes we can!” Dann verzogen sie sich in Richtung Königsallee und stimmten den alten Friedensdemo-Hit an: „All we are saying is: Give peace a chance!“
Eine Stadt im Ausnahmezustand sollte es werden, aber das hat diese „akustisch-performative Stadt-Installation“ nicht erreicht: Wer über Politik nachdenkt, hat dieser Tage einen anderen Kriegsschauplatz im Kopf, und wer sich nicht dafür interessiert, wird von den Satzfetzen, die man aufschnappen konnte, kaum zum Nachdenken angeregt worden sein.



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