theatercombinat | 11.4. - 22.06.2008 p-bar – werkstatt für europäische theorieteppiche und kunstpraxis, im rahmen der produktion «die perser» | 11.6.2008 create your state auf dem vorplatz des staatstheaters braunschweig, festival theaterformen (d)

sprache: deutsch, englisch

die perser, braunschweig

arbeitsmodell:
die perser in 3 städten

perser review
die perser, wien
les perses, genf

 

die «p-bar» begleitete als teil der internationalen theaterwerkstatt des festival theaterformen 2008 in braunschweig den 3 monatigen probenprozess zu die perser inszeniert von claudia bosse unter der beteiligung von 300 braunschweigerInnen im chor der perser.

vorträge, aktionen, filme, diskussionen und installationen, die den probenprozess öffentlich reflektierten, und zur auseinandersetzung einluden: mit aischylos text, der inszenierung sowie der bedeutung von tragödie und chor als mittel, ritual und möglichkeit der überprüfung demokratischen selbstverständnisses.


 








 


p-bar team
claudia bosse, anke dyes, caroline farke, andreas gölles und anselm lenz

gefördert aus mitteln der niedersächsischen lottostiftung
und der bundeszentrale für politische bildung bonn

 

chronologie:

29. februar erstes treffen des chors der 500

14 .märz «perser-oke»

28. märz von kriegen berichten

11. april open p-bar

18. april hajo kurzenberger: chor-körper als szenisches verfahren. körper- und gesellschaftsbilder

25. april c.a. scheier: die griechische tragödie – kritisches gedächtnis der demokratie

09. mai jonas grethlein: «die perser» – zeit, erzählung und erinnerung

16. mai florian vaßen: eine frage der haltung - das lehrstück brechts und die sprache heiner müllers

23. mai sophie klimis: der atem der bürger - der tragische chor als erfindung einer demokratischen gemeinschaft

30. mai edith hall: tod und volk – das beklagen militärischer katastrophen von der griechischen antike bis heute


die erste p-bar als erstes zusammentreffen aller beteiligter nach dem aufruf vom 20.12.2008. nach einem monat proben mit den chorführerInnen und protagonistInnen werden die partituren an den chor übergeben, formieren sich die chorgruppen und der probenprozess wird von den chorführerInnen übernommen.

perser-oke live-synchronisation der perser-inszenierung von jean prat aus dem jahr 1961 mit der witzmann/müller bearbeitung. masken und monument treffen auf die stimmen der besucher und die »dunklen Stellen« dieser übersetzung, bild-gewalt auf stimmpräsenz.

die open p-bar fragt die experten des chors: »nach eurem wissen, euren erfahrungen, euren geschichten, den liedern, bildern und anekdoten zum projekt und dem, was ihr sonst noch macht. austauschen, was ihr wisst, fragen was nicht, anregen was fehlt.«


hajo kurzenberger ist professor für theaterwissenschaft und theaterpraxis im studiengang szenische künste der stiftung universität hildesheim und direktor des instituts für medien und theater. der theater-chor ist seit vielen jahren schwerpunkt seiner forschung. er arbeitet als produktions-dramaturg in basel, berlin, zürich und hamburg.

 

chor-körper als szenisches verfahren. körper- und gesellschaftsbilder die griechische tragödie war eng verknüpft mit dem politischen alltag, den rhetorisch-argumentativen darstellungsweisen einer gesellschaft, die das theater als zentrales medium brauchte, um die innen- und außenpolitischen krisen einer werdenden weltmacht zu reflektieren. am anfang und im räumlichen zentrum dieser theaterform steht der chor. der vortrag untersucht theaterhistorische beispiele unterschiedlicher chorkonzepte der letzten 100 jahre und deren jeweilige körper- und gesellschaftsbilder.


die griechische tragödie – kritisches gedächtnis der demokratie
die klassischen tragödien waren keine theaterstücke im sinn des modernen kulturbetriebs, sondern eingebunden in den kulturpolitischen kontext des autonomen stadtstaats. sie sind teil der öffentlichen diskussion der legitimationsprobleme der jungen demokratie, die sich noch nicht an älteren vorbildern orientieren konnte. die hier erstmals in unserer geschichte auf- tretende und sogleich intensiv reflektierte gefahr der „machbarkeit von allem“ lässt die tragödie zum gedächtnis von herkunft und grenzen des prinzips freiheit werden – darin liegt ihre bis heute fortwirkende kritische potenz.

 


claus-artur scheier
ist professor für philosophie an der universität carolo-wilhelmina zu braunschweig mit den forschungsschwerpunkten klassische philosophie und philosophie der kunst.


jonas grethlein ist professor für klassische philologie an der universität heidelberg und veröffentlichte zuletzt „das geschichtsbild der ilias. eine untersuchung aus phänomenologischer und narratologischer perspektive“.

 


„die perser” – zeit, erzählung und erinnerung

die aischyleischen „perser“ sind die einzige erhaltene griechische tragödie mit einem zeitgeschichtlichen sujet – die ruinen des persersturms sind noch sichtbar, als das stück uraufgeführt wird. in einem „close reading“ diskutiert der vortrag die besonderen zeit- und erzählstrukturen des stückes und interpretiert die ihm eingeschriebene reflexion über erinnerung.


florian vaßen
ist professor für neuere deutsche literatur an der universität hannover und leiter des studiengangs darstellendes spiel, arbeitet in theorie und praxis mit brechts lehrstücken und heiner müllers synthetischen theaterfragmenten.

 


eine frage der haltung: das lehrstück brechts und die sprache heiner müllers

bertolt brechts lehrstück-konzeption mit ihrer politischen und ästhetischen erprobung von haltungen und heiner müllers widerständige und produktiv provozierende theaterkonzeption sind die ausgangspunkte dieses vortrags. beide autoren fordern eine politische haltung gegenüber dem text und dem theater und stellen somit die frage nach den möglichkeiten und letztlich der wirksamkeit von theater. aus anlass der braunschweiger „perser“-inszenierung auf der grundlage von heiner müllers textfassung und mit bezug zum brechtschen lehrstück soll die aktualität dieser aspekte überprüft werden.


der atem der bürger: der tragische chor als
erfindung einer demokratischen gemeinschaft
wenn auch die protagonisten professionelle schauspieler waren, der chor seinerseits bestand aus bürgern. die bürger, die zu choreuten bestimmt wurden, waren freigestellt von allen anderen ihrer politischen und militärischen aufgaben. singen und tanzen in einem tragischen chor war das betreiben von politik, das agieren als bürger, und nicht nur die repräsentation des politischen in einer mimetischen distanzierung. sophie klimis untersucht in ihrem vortrag den gesellschaftsbildenden aspekt des tragödienchors und betrachtet den chor als ein performatives instrument zur konstitution athenischer identität, das in der gemeinsamen performance sicht- und erlebbar einen rituellen wie erzieherischen effekt erzielte.

 


prof. sophie klimis
lehrt antike philosophie an den facultés universitaires saint louis de bruxelles. sie setzt sich mit den mitteln der interdisziplinarität mit der rezeptions-geschichte und interpretationsmethoden antiker mythen und tragödien auseinander. sie veröffentlichte zuletzt „archéologie du sujet tragique“.


edith hall
ist professorin für classics & drama, royal holloway, university of london. sie übersetzte 1996 „die perser” neu ins englische. zuletzt veröffentlichte sie „cultural responses to the persian wars: antiquity to the third millennium”.

 


tod und volk – das beklagen militärischer katastrophen

von der griechischen antike bis heute
dieser vortrag setzt aischylos‘ stück in seinen antiken kontext, den folgen eines schrecklichen internationalen krieges, und erörtert die andauernde wirkungskraft des stückes in modernen aufführungen, die zurückzuführen ist auf den stellenwert, den der text gefühlen wie schmerz, angst, verlangen nach rache einräumt – die seit jeher von militärischen und zivilen verlusten verursacht worden sind.


11. juni create your state auf dem vorplatz des staatstheaters braunschweig mit allen chorteilnehmerInnen von „die perser”, den expertInnen florian vaßen, edith hall, sophie klimis und anderen, sowie dem gesamten „perser”-team. eine volksversammlung als abschluss des „perser”-projektes und höhepunkt der begleitenden p-bar. die expertInnen der p-bar reihe geben impulsstatements zu der letzten vorstellung am 10. juni und befragen die chorteilnehmerInnen zu dem vorangegangenen arbeitsprozess, zu erkenntnissen aus dem umgang mit dem text „die perser” und ihren erfahrungen im chor als älteste politisch-ästhetische praxis unserer westeuropäischen kultur. die tragödie als politisch-poetologisches experiment, als ästhetisch-soziales laboratorium.
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