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GEORG DANEK / WIEN
MassakerMykene
Die Orestie des Aischylos und Bert Brechts Fatzer-Fragment
Notizen zu einer zweijährigen Arbeit im Schlachthof St. Marx
Anfang 1999 beginnt die Theatergruppe TheaterCombinat[1b] mit der Arbeit an zwei Texten der Weltliteratur, die denkbar weit auseinander liegen: der Orestie des Aischylos, aufgeführt 458 v. Chr. („the greatest achievement of the human mind“: G. Murray), und dem Fatzer-Fragment von Bert Brecht, einem ungeheuren Konvolut von Entwürfen, Szenen und Textfragmenten aus den Jahren 1926–1931, die nie zu einer Einheit zusammengefügt wurden. Das Projekt erhält den Namen ‚MassakerMykene‘. Der Ort der Arbeit ist der seit 1997 leerstehende Schlachthof St. Marx in Wien. Als Zeitraum der kontinuierlichen Arbeit werden zwei volle Jahre veranschlagt. Als Arbeitsprinzip schwebt die Idee der ‚chorischen Improvisation‘ vor. Die Arbeit, die sich als Experiment versteht, wird zunächst durch ‚öffentliche Proben‘ zugänglich gemacht, später durch ‚Präsentationen‘ unterschiedlicher Form und Länge, die sich ausdrücklich nicht als ‚Aufführungen‘ im konventionellen Sinn, sondern als punktuelle Einblicke in die ständig fortlaufende Arbeit verstehen. Auch die 36-stündige ‚Abschlußpräsentation‘ (3.–5. November 2000) liefert kein Endprodukt, sondern dokumentiert den zuletzt erreichten Arbeitsstand eines ‚work in progress‘.
Die Gruppe TheaterCombinat, gegründet 1996 in Berlin, wurde für die Arbeit am Projekt ‚MassakerMykene‘ unter der Leitung von Claudia Bosse und Joseph Szeiler neu formiert. Durch letzteren bestand die Anknüpfung an Projekte der Theatergruppe AngelusNovus in den 80er Jahren, sowohl thematisch, in der Auseinandersetzung mit der Antike (die Gruppe AngelusNovus hatte sich 1988 während der Arbeit an der Orestie aufgelöst)[2] und mit Brecht (FatzerMaterial, Bert Brecht / Heiner Müller, 1985) als auch in den formalen Ausdrucksmitteln, vor allem in der Konzentration auf die Ausdrucksmittel des Chores.
Der symbolträchtige Ort der Veranstaltung, in deren Texten Gewalt, Macht und Mord eine so wichtige Rolle spielen, der ehemalige Schlachthof Sankt Marx, 1876 als industrieller Massentötungsort errichtet, beeindruckt durch seine Architektur, auch und gerade im Verfall: Riesige Hallen in Stahl-Glaskonstruktion, teils noch mit Vorrichtungen für den Schlachtungsbetrieb, teils nur mehr nackte Betonflächen. In einigen Bereichen zwischen den bespielbaren Flächen zerschlagene Fensterscheiben, Gerümpel. Die Gruppe arrangiert sich mit den Obdachlosen, die im Areal ihr Quartier aufschlagen. Die Schauspieler werden nicht regelmäßig entlohnt, die Subventionen der Stadt Wien decken vor allem die Investitionen in die Infrastruktur des Geländes sowie den laufenden Betrieb ab. Man arbeitet winters und sommers, durchschnittlich fünf Mal wöchentlich, bei jeder Witterung. Im Sommer heizen sich die Hallen auf, im Winter herrschen Außentemperaturen; wenn der Regen auf das Dach trommelt (und durchtropft), versteht man sein eigenes Wort kaum. Die Stadtautobahn, die das Gelände begrenzt, sorgt für einen nie versiegenden Geräuschpegel. Auch der Wechsel der Tageszeiten prägt den Verlauf der Arbeit: Die Gruppe spielt gerne in den einbrechenden Abend und bis in die Finsternis hinein; intensiv sind auch jene Präsentationen, bei denen man die Nacht durchspielt und das Kommen des neuen Tages miterlebt.
Die Gruppe versteht ihre Arbeit als radikale Abkehr vom traditionellen Theaterbetrieb. Es gibt keine Bühne, und damit keine Trennung zwischen Spiel- und Zuschauerbereich; bespielt wird das gesamte Gelände, innerhalb und außerhalb der Hallen. Die Zuschauer sind also zu Aktivität aufgerufen, sie müssen dem Chor folgen, um den Text mitverfolgen zu können; sie müssen aber auch Entscheidungen treffen, etwa wenn der Chor sich über große Distanzen aufspaltet, oder wenn gleichzeitig Verschiedenes geboten wird: So wird bei mehreren Präsentationen parallel zum Spiel des Chores der griechische Text der Orestie verlesen; und zweimal tritt ein Gastchor, bestehend aus StudentInnen der Klassischen Philologie, auf, um Chorlieder aus der Orestie zu singen[3] . Aber auch die ‚Haupttexte‘ werden nicht als Kontinuum geboten. Das beginnt damit, daß Orestie-Text und Fatzer-Text miteinander kombiniert werden, daß also der Chor zwischen den beiden Texten hin- und herspringt. Und auch der Text der Orestie selbst (in der deutschen Übersetzung von Oskar Werner) wird nicht immer linear geboten; der Chor springt in seiner Arbeit am Text des Aischylos oft wieder zurück, wiederholt einzelne Szenen oder Chorlieder oder vervielfältigt sie, etwa wenn der Wächterprolog aus dem Agamemnon von allen Chormitgliedern gleichzeitig, jedoch über das ganze Gelände des Schlachthofs verteilt, vorgetragen und jeweils mehrfach wiederholt wird.
Im Zentrum der Auseinandersetzung mit der Orestie[4] steht die Auseinandersetzung mit dem Wesen des Chores, der Versuch, die Erarbeitung des aus der Antike ohne ‚Regieanweisungen‘ überlieferten Textes als Chor-Kollektiv zu bewältigen. Sämtliche Schauspieler beherrschen sämtliche Rollen des Textes, sowohl die Chorpartien als auch die Partien der einzelnen Rollen. Die Arbeit versteht sich durchgehend als eine chorische, nicht nur in den ‚eigentlichen‘ Chorliedern: Der Chor ist immer präsent, und das nicht nur im Sinne der antiken Aufführungspraxis, wonach der Chor nach seinem ersten Auftritt den Spielplatz bis zum Schluß der Tragödie nicht mehr verläßt und somit während der Handlung immer anwesend und sowohl für die Spieler als auch für das Publikum immer sichtbar ist; der Chor läßt vielmehr hier auch die einzelnen Rollen aus seinem eigenen Kollektiv hervorgehen: beim Übergang vom Chorlied zum Epeisodion spalten sich einzelne Mitglieder des Chores aus dem Kollektiv ab und übernehmen die Rollen des Protagonisten, etc., um danach wieder in den Chor einzutreten. Ein und dieselbe Rolle kann dabei bei unterschiedlichen Präsentationen, aber auch im Verlauf eines einzigen Abends von verschiedenen Mitgliedern des Chores übernommen werden. Die Identifizierung des Schauspielers mit seiner Rolle ist also hier aufgegeben, und im Gegensatz zum antiken Theater wird die jeweilige Rolle auch nicht durch Kostüm und Maske kenntlich gemacht. Der ‚Charakter‘ einer Rolle definiert sich allein durch ihren Text.
Die Arbeit in den Hallen oder im Freien führt zu einem Vortragsstil, der sich deutlich von der heute üblichen Theaterpraxis unterscheidet. Die riesigen Hallen erfordern eine Sprechtechnik, die die Stimmen auch über große Distanzen vernehmbar macht. Der Text muß daher mehr gebrüllt als gesprochen werden, und das führt automatisch zu einer monotonen, wenig phrasierten und nuancierten Vortragsweise. Ebenso bleiben Mimik und Gestik fast völlig ausgeschlossen, die Schauspieler sprechen den Text mit starrem Gesichtsausdruck und machen nur selten einfache Gesten. In den Chorliedern bleibt zwar die für den antiken Chor konstitutive Musik ausgeklammert[5] , doch tritt das Element des Tanzes dazu, allerdings auch hier in einer ungewohnten Form: Der Chor bewegt sich als Einheit, er bildet Formationen, er geht, läuft, hüpft, kriecht, tänzelt durch die Hallen oder verharrt auch in völlig erstarrrten Posen, oder er verknäult sich zu einem Menschenhaufen; dabei wird kaum je ein Bewegungsablauf exakt wiederholt, der ‚Chortanz‘ wird immer aufs Neue improvisiert.
All dies ist natürlich als bewußte und provokante Abkehr von jenem Theaterbetrieb des 19. und 20. Jh. zu verstehen, dessen Traditionslinie noch immer unsere Bühnen dominiert: das Illusionstheater mit seiner Guckkastenbühne. Und für den ‚unvoreingenommenen‘ Zuschauer stellt eine Präsentation am Schlachthof zweifellos zunächst auch einen manifesten Bruch mit der Idee der altgriechischen Tragödie dar, jedenfalls einen Bruch mit der Tradition der Inszenierung griechischer Dramen auf der Bühne der Neuzeit, d.h. des 19. und 20. Jh.[6] . Erst im Verlauf der zweijährigen Arbeit, bei wiederholter Teilnahme an den Veröffentlichungen, konnte dem Betrachter klar werden, daß dieses Projekt gerade in seiner radikalen Ablehnung beinahe sämtlicher uns aus der Tradition vertrauten Theaterkonventionen in vielen Bereichen unvermutet Übereinstimmungen mit zentralen Aspekten der attischen Bühne des 5. Jh. v. Chr. herstellte. Die folgenden Überlegungen sollen dazu dienen, einige dieser Bereiche näher zu beleuchten. Damit soll die Frage aufgeworfen werden, ob wir uns dem Wesen der griechischen Tragödie eher annähern können, wenn wir radikal mit unseren eigenen Sehgewohnheiten brechen.
Wenn in dieser Produktion der Chor als Ursprung und Zentrum des Theaterspiels verstanden wird, so scheint das zunächst einmal den historischen Verlauf, als den wir den Ursprung der Tragödie in Athen zu verstehen glauben, in Szene zu setzen: das Erwachsen des dramatischen Spiels aus dem Chorgesang, zunächst durch die Abspaltung des Chorführers, sodann durch die Einführung von einem, einem zweiten und einem dritten Schauspieler (Aristot. Poet. 1449a). Doch ist es zweifellos nicht der Anfang dieses Entwicklungsprozesses, der uns als Hintergrund für die erhaltenen Meisterwerke der drei attischen Tragiker in erster Linie interessieren muß. In der Literatur zur griechischen Tragödie schiebt sich seit einiger Zeit immer mehr die Frage nach dem Wesen und der Funktion des Chores im Rahmen der dramatischen Handlung in den Vordergrund. Diese Frage wurde traditionell gerne mit Schlagworten wie dem Chor als dem Sprachrohr des Dichters, als Abbild des Publikums oder als einem vollwertigen Akteur der Handlung beantwortet[7] . In neueren Interpretationen konzentriert sich das Interesse jedoch auf die Tatsache, daß der Chor gerade eben nicht ein gleichwertiger Mitspieler ist, daß er nicht in gleicher Weise in die Fiktion des Spieles eingebunden ist, da er den Text seiner Chorlieder nicht an Figuren innerhalb der Handlung, sondern, wenn man überhaupt einen Adressaten bestimmen kann, so direkt an das handlungsexterne Publikum richtet[8] .
Der Chor als das Zentrum des tragischen Spiels wird zuletzt in der umfassenden Studie von Peter Wilson hervorgehoben[9] . Wilson weist darauf hin, daß im 5. Jh. im Verständnis der athenischen Öffentlichkeit die Tragödie über ihren Chor definiert wurde, und daß die Verschiebung hin zur Dominanz der Einzelschauspieler erst allmählich einsetzte[10] . Damit setzt sich immer stärker eine Betrachtungsweise durch, die über die aristotelische Poetik hinausgreift, wo ‚Tragödie‘ allein durch ihre Handlung definiert und analysiert wird, somit allein als Schauspieler-Text verstanden wird, während die Bedeutung des Chores auf ein zwar nicht störendes, aber auch nicht notwendiges Beiwerk reduziert wird. Als Beispiel für diese anti-aristotelische Auffasung der Tragödie mag das Buch von Hans-Thies Lehmann gelten, wo die hohe Bedeutung des handelnden Subjekts, die in der Nachfolge des Aristoteles in der neuzeitlichen idealistischen Erklärungstradition immer wieder in den Mittelpunkt gestellt wurde, für die attische Tragödie ausdrücklich bestritten wird[11] . In Ausweitung dieser These könnte man formulieren, daß vor allem für jene Tragödien des Aischylos, in denen die lyrischen Chorpartien mehr als die Hälfte des Textes einnehmen, das ‚Thema‘ der Stücke nicht so sehr der Ablauf des bekannten Mythos, sondern vielmehr dessen Aufnahme und Bewertung durch den Chor ist.
Eines der wichtigsten Merkmale des Chores ist seine eutaxía (gute Aufstellung) bzw. eukosmía (gute Anordnung). Der Chor soll also als ein perfekt aufeinander abgestimmter Organismus wahrgenommen werden, wobei die Metapher des Organismus suggeriert, daß hier etwas lebendig ist, in Bewegung ist. Das trifft auf den antiken Chor zweifellos zu, den Chor, der nur singt, wenn er tanzt, und vice versa. Das Guckkastentheater des 19. und 20. Jh. hat daraus zumeist einen Chor gemacht, der in einer mehr oder weniger sinnvollen Anordnung auf der Bühne steht und deklamiert. Die Gruppe TheaterCombinat gewinnt etwas von der ursprünglichen Choridee wieder, wenn sie auf Chorbewegung baut — allerdings, im Gegensatz zur Antike, auf improvisierte Chorbewegung, bei der der einzelne Choreut intuitiv auf die Bewegungen der anderen Choreuten eingeht und so den Eindruck eines aufeinander abgestimmten Organismus erzeugt.
Läßt man die Geschichte der griechischen Tragödie auf der Bühne des 19. und 20. Jh. Revue passieren[12] , so steht als gemeinsame Intention der meisten einschlägigen Versuche das Bestreben nach einer Wiederbelebung von etwas Fremdartigen durch die Adaptierung des Fremden an das Eigene im Vordergrund. Das beginnt mit der nach den Renaissance-Vorläufern die gegenwärtige europäische Antikentradition begründenden preussischen Aufführung der Antigone, für die Felix Mendelssohn Bartholdy die Chormusik komponierte[13] , und wird mit der Wende zum 20. Jh., beginnend mit der Orestie-Übersetzung von Wilamowitz-Moellendorff, abgelöst durch ein Antiken-Theater, das auf wissenschaftlicher Basis den ‚Geist der Antike‘ rekonstruieren und zugleich in die aktuelle Gegenwart ‚übersetzen‘ will[14] . In den letzten Jahrzehnten diente die Orestie als Aufhänger für Experimente des Regietheaters (Ronconi)[15] oder wurde ihre Distanz zu uns aufgelöst durch eine die Fremdheit nachvollziehbar machende Ethnologisierung (Mnouchkine)[16] . In Deutschland überwiegt die philologische Schein-Texttreue, die den ‚exakten‘ Wortlaut durch interpretierende Paraphrasen widerspiegelt, sei es kürzend, in der Übertragung von Walter Jens[17] , sei es ausufernd-erklärend in der Übersetzung von Peter Stein[18] ; diese scheinbare Nähe zum Original geht Hand in Hand mit einem fast völligen Verzicht auf Tanz und Gesang des Chores, der damit auf die Funktion eines am Rande stehenden Schauspielers reduziert wird. Daß die Gewichte damit stark verlagert werden, liegt auf der Hand.
Bei MassakerMykene steht der Chor als Chor, also als Kollektiv, das eine nicht-mimetische Handlung vollzieht, indem es zweckfreie
Bewegungen ausführt und Sprache als Klang zelebriert, im Vordergrund. Damit gelingt es, die Brücke zu dem rituellen Charakter des griechischen Tragödienchores zu schlagen, den die Forschung der letzten Jahre immer besser beleuchtet hat[19] . Dabei wird, anders als bei sonstigen modernen Versuchen, nicht der Anschein erweckt, das antike Ritual, das unserem Gefühl fremd bleiben muß, zu reproduzieren. Vielmehr wird hier der rituelle Charakter des Chores dem Zuschauer bewußt gemacht, ohne daß damit das Gefühl verbunden wird, daß das eigentliche Wissen um den rituellen Hintergrund nicht greifbar werde. Der im Schlachthof zelebrierte Ritus schafft sich seine eigenen Voraussetzungen, schöpft sich selbst in der Improvisation und kann daher vom Zuschauer in seiner Entstehung mitverfolgt werden. Genau deshalb bedarf die Chorbewegung keiner von außen kommenden Erklärung, keines Vorwissens um den zugrundeliegenden Kult, wie es dem antiken Zuschauer selbstverständlich mitgegeben war.
Die Chorbewegung läßt sich somit, im Gegensatz zu einem modernen Verständnis von Tanzbewegung, aber wohl in Übereinstimmung mit der antiken Auffassung, auch nicht interpretierend deuten, etwa vermittels eines Symbolismus, da es an ihr nichts zu erklären gibt als ihre eigene Geschichte. Die Bewegungen des Chores, das Äquivalent zum antiken Chortanz, stellen folglich keine Verbindung zum Wortlaut des Textes her (außer in einem gewissen Ausmaß durch den Rhythmus), intendieren nicht, diesen zu interpretieren. Exakt dieselbe Aussage ist wohl über den Chortanz der griechischen Tragödie zu sagen: die jeweiligen Tanzfiguren hatten bestenfalls eine allgemeine generische Bedeutung (entsprechend bestimmten Rhythmus-Typen, die für Erregung, Trauer, etc., standen), ließen aber keine individuelle, mikroskopische Erläuterung des fortlaufenden Textes zu. Der Zuschauer am Schlachthof wurde über die Monate hinweg darauf trainiert, Text und Chorbewegung als zwei voneinander weitestgehend unabhängige Erscheinungen zu verstehen und trotzdem zueinander in Beziehung zu setzen.
Das Chor-Ritual, also die Form des Tanzens und Singens des Chores unter formaler Anbindung an den Dionysos-Kult, war in der griechischen Tragödie nur für jenes Publikum sinnhaft und selbstverständlich, das selbst der Träger dieses Kultes und des damit verbundenen Ritus war. Der Chor des Schlachthofs kreiert sich sein Ritual selbst, und er läßt die Zuschauer über die Zeit der Arbeit an der Entstehung und Entwicklung dieses modernen Ritualverhaltens teilhaben. Damit wird den Zuschauern das Gefühl vermittelt, das Ritual ebenfalls mitzutragen, in das Ritual eingebunden zu sein, es als sinnhaft zu empfinden. Dieses Verfahren schafft – wenn auch natürlich nur bei jenen Teilnehmern, die die kontinuierliche Arbeit der Gruppe über einen längeren Zeitraum hinweg regelmäßig verfolgen – einen wesentlich höheren Grad an Authentizität des ‚griechischen Theatererlebens‘, als dies bei dem heute weitgehend üblichen Verzicht auf den Ritual-Charakter des Chores im neuzeitlichen Sprechtheater[20] , aber auch bei dem Versuch einer Restitution des antiken Chores durch den Rückgriff auf ethnologisierende Elemente möglich ist: Auch in Ariane Mnouchkines Atriden-Tetralogie, wo der Chor durch Kostüme und Tanz starke Assoziationen an eine als vage östlich empfundene Folklore auslöst, reduziert sich diese Interpretation letztlich für den jeweiligen Zuschauer auf eine einmalige Ethno-Schau: Ihm wird suggeriert, an einem Ritual teilzunehmen, dessen Fremdheit ihm vertraut ist und das ihn in die (von Fernseh-Dokumentationen oder Tourismus-Folklore) gewohnte Rolle des außenstehenden Beobachters schlüpfen läßt.
Ähnlich befremdend wie die ‚rituelle‘ Inszenierung des Chores mag dem Betrachter die Sprech- und Vortragstechnik der Gruppe erscheinen. Der Sprachduktus ist monoton, deklamierend, der Versrhythmus sowie die Einheit des Einzelverses werden betont und nicht, wie es im heutigen Theaterbetrieb üblich ist, unterdrückt. Die Künstlichkeit, die Nicht-Alltäglichkeit der Sprache der Tragödie wird damit betont und nicht verwischt. Ebenso wird auf Mimik und Gestik weitgehend verzichtet. Das trifft sich in der Intention erstaunlich gut mit zentralen Formelementen des antiken Theaters: Der antike Vers schränkt durch den Zwang zur gleichmäßigen Rhythmisierung eine individuelle Phrasierung weitgehend ein; die Verwendung von Masken schließt jede Art von Mimik kategorisch aus; die große Entfernung vom Publikum (auch wenn man nicht an die erhaltenen nachklassischen Theaterbauten, z.B. in Epidauros, denken sollte, doch immerhin an ein Publikum von etwa 20.000 Personen)[21] verhindert eine ‚natürliche‘ Gestik und forciert einen ‚künstlichen‘ Zeigegestus.
Mit der Bespielung des gesamten Schlachthof-Geländes ist das Guckkastenprinzip des neuzeitlichen Theaters aufgegeben. Zugleich ist damit auch die Trennung von Bühne und Zuschauerraum aufgehoben. Aber auch die Trennung von Schauspieler- und Chorraum, wie sie uns von unseren klassizistischen Vorstellungen bezüglich der griechischen Theater-Architektur geläufig ist, ist aufgelöst. Das evoziert für den Betrachter bestimmte Aspekte der ursprünglichen Aufführungsbedingungen, wie sie die Forschungen der letzten Jahre immer deutlicher erkennen lassen: Das Theater des Aischylos hatte keine kreisrunde Orchestra, sondern nur einen einfachen Spielplatz mit improvisiertem Bühnenbild; der Spielplatz reichte direkt bis zur ersten Reihe der Zuschauersitze[22] .
Für die Orestie wurde die deutsche Übersetzung von Oskar Werner benützt, die von der Gruppe (ohne Kenntnis des Griechischen) nach langer Diskussion ausgewählt wurde und sich dabei in erster Linie gegen die Übersetzungen von Peter Stein (zu prosaisch, zu stark interpretierend-paraphrasierend, ohne poetischen Klang) und Droysen (zu klassizistisch) durchsetzte[23] . Von vornherein verworfen wurde die Übertragung von Walter Jens, die keine Übersetzung, sondern eine stark raffende Paraphrase darstellt. Nicht berücksichtigt wurde auch die Übersetzung von Wilamowitz, deren Klang das Drama in ein Kultur-Ambiente um 1900 transponiert. Diese Wahl hat sich als richtig erwiesen: Werners Übersetzung ist philologisch anspruchsvoll, auch wenn sie auf der heute überholten Textausgabe von G. Murray basiert; sie ist im Klang und Stil nie peinlich, nie aufdringlich aktualisierend, sie läßt dem Originaltext seine Ambiguitäten, ohne zu glätten, sie ist dezent poetisch und transportiert sogar die Chorlieder in einen ‚Rhythmus des Originals‘, ohne die deutsche Sprache zu vergewaltigen[24] . Der Verlauf der zwei Jahre bestätigt, daß der Chor bei seiner Erarbeitung des Textes auf ganz ähnliche Schwierigkeiten stößt wie der Philologe bei der Arbeit am bekanntermaßen sprachlich schwierigen griechischen Text. Werners Übersetzung wird wohl genau aus diesem Grund von den meisten Regisseuren für unspielbar, weil unverständlich gehalten, und ist, falls die einschlägigen Dokumentationen vollständig sind (vgl. Anm. 6) noch nie zu einer Aufführung (zumindest im öffentlichen Theaterbetrieb) gelangt.
Werners Übersetzung ist wohl auch für eine Aufführung im konventionellen Theaterbetrieb nur bedingt geeignet, da sie den schwierigen griechischen Text zu einem ebenbürtig schwierigen deutschen Text umformt. Im Konzept des TheaterCombinats hat das Funktion: der Chor bietet den nackten Text, in meist monotonem Tonfall, mit reduzierter Intonation, Vers für Vers, ohne die Versstrukturen zu verschleiern, wie es im heutigen Theaterbetrieb üblich ist; er liefert so gut wie keine Erläuterung des Wortlauts durch Intonation, Tonfall, Mimik und Gestik, und lenkt gerade dadurch die Aufmerksamkeit der Zuschauer völlig auf den Text selbst.
Die Orestie hatte eine große ikonographische Folgewirkung. Das läßt darauf schließen, daß sie mit neuen, ungewohnten visuellen Effekten arbeitete und damit gegen traditionelle Zuschauererwartungen verstieß. Bezeugt ist, daß Aischylos erstmals die Erinyen mit Schlangenhaaren auf die Bühne brachte[25] . Zu verweisen ist hier auch auf die große Bedeutung von Requisiten innerhalb der Trilogie (der rote Teppich, die Locke des Orestes, die Fackeln der Erinyen)[26] , sowie auf bestimmte innovative Bühnenbewegungen[27] . All das scheint reflektiert in der völlig ‚unklassischen‘ Darstellung bei MassakerMykene, die weder antikisierenden noch ethnologisierenden Kostüme, die sowohl Fremdheit wie Vertrautheit signalisieren, auf der anderen Seite aber auch einzelne Sequenzen, in denen der Chor völlig nackt spielt, wobei für die Zuschauer durch diesen ‚Schock‘ die Wahrnehmung geläutert wird, hin auf das Wesentliche: Der Ablauf der antiken Tragödie konstituiert sich nur aus Sprache, Klang (Musik) und Bewegung, dem Bühnenbild kommt bei Aischylos noch eine ganz untergeordnete Rolle zu. Die Schauspieler und der Chor bewegen sich in einem ‚natürlichen‘ Raum, der auf die Mittel der Illusion verzichtet und erst durch den Text zu einem fiktionalen Raum gemacht wird[28] .
In der griechischen Tragödie waren nicht mehr als drei Schauspieler vorgesehen. Die Schauspieler wechselten während des Spieles die Rollen, wobei die Aufrechterhaltung der Illusion durch die Einfachheit der zu wechselnden Kostüme, vor allem aber durch die Masken erleichtert wurde. Im englischen Sprachraum spricht man von ‚doubling‘[29] . Im Illusionstheater des 19. und 20. Jh., das die Identifikation des Schauspielers mit seiner Rolle anstrebt, ist dieses ‚doubling‘ unüblich; in Aufführungen antiker Tragödien wird es gelegentlich praktiziert, so vor allem mit Konsequenz von A. Mnouchkine in ihrer Atridentetralogie. Das TheaterCombinat inszeniert das Prinzip des ‚doubling‘ als die logische Konsequenz der völligen Ableitung der einzelnen Akteure aus dem Kollektiv des Chores. Während des Spieles ist daher für den Zuschauer nicht vorhersagbar, wer welche Rolle übernimmt: Jeder Schauspieler beherrscht alle Rollen, die Übernahme einer Rolle kann auch spontan improvisiert werden, je nach der jeweiligen Konstellation des Chores. Als weitere logische Konsequenz dieses Verständnisses kann auch die Einzelrolle verdoppelt oder vervielfacht werden. Dadurch wird natürlich die personelle Einheit der Rolle (die in der Antike für das Bewußtsein des Publikums, das nicht von Vornherein auf ein Illusionstheater eingeschworen war, vielleicht ohnehin nie vorhanden war) zerstört. Am Schlachthof sprachen so etwa sämtliche Schauspieler über einen großen Teil des Geländes verstreut den Wächterprolog des Agamemnon, gleichzeitig, jedoch von den Zuschauern nicht zugleich zur Gänze rezipierbar. Es ergaben sich Echo-Effekte, und es wurde damit der Raum, der in der Inszenierung ja in den Vordergrund gerückt wurde, zusätzlich instrumentalisiert. Überhaupt wurden Handlung bzw. Einzelrollen (‚Charaktere‘) dem konkret vorhandenen Raum untergeordnet, so wie auch im Theater des Aischylos die anti-illusionistische Konzeption des dekorationsfreien Spielplatzes und des halb jenseits der Illusion angesiedelten Chores den Theater-Raum dominierte. So wurde bei einer der ‚Aufführungen‘ der Wächter-Prolog von einer der Schauspielerinnen auf dem Rücken eines der steinernen Stiere, die (begleitet von ihren Schlächtern) die Haupteinfahrt zum Schlachthof flankieren, sitzend vorgetragen. Die Assoziationen, die sich daraus ergeben (so wie natürlich überhaupt alles, was sich aus der Ansiedlung einer der blutigsten Geschichten des antiken Mythos in einem aufgelassenen Schlachthof ergibt), sind zwar nicht kontrollierbar im Sinne eines Autorentextes, aber vorhersehbar.
Ein alterprobtes Verfahren besteht in dem Nebeneinander von Originaltext und Übersetzung, das vom ‚Publikum‘ nur als Alternative oder als Klangmix rezipiert werden kann. Erfahrungen mit dieser Technik wurden durch das TheaterAngelusNovus 1986 in einer durchgehenden Iliaslesung, 1987 beim Projekt ‚Tod des Hektor‘, und 1989, in einem Nachfolgeprojekt, bei einer Lesung der Odyssee gemacht[30] . Im Schlachthof wurde in verschiedenen Formen mit diesem Nebeneinander experimentiert: Bei einer vier Stunden dauernden Präsentation wurde neben dem Spiel der Schauspieler, in dem der Agamemnon und der Fatzer-Text kombiniert wurden, an einem exponierten Platz der gesamte griechische Text des Agamemnon und der Choephoren gelesen – im Freien, und in normalem Sprechton, nur wahrnehmbar für Zuhörer, die auf derselben Bank wie der Sprecher Platz nahmen, und stilisiert als Klangerlebnis für ein des Griechischen nicht mächtiges Publikum; also als Signal und Erinnerung daran, daß hinter dem deutschen Text, der aufgrund seiner sprachlichen Komplexität bereits nur mit Mühe verstanden werden kann, ein griechischer Originaltext steht, dessen Verständnis sich dem Zuhörer endgültig entzieht – und dessen fremder und eindringlicher Klang trotzdem das Gefühl suggeriert, der Antike näher zu sein.
In der letzten Phase der Arbeit wurde noch eine weitere Interferenz zwischen Übersetzung und Originaltext erprobt: Die Rolle der Kassandra wurde konsequent auf Griechisch gespielt, während der Chor weiterhin auf Deutsch replizierte. Daraus ergab sich ein naheliegender inhaltlicher Effekt: Das Nicht-Verstehen-Können und Nicht-Verstehen-Wollen des Chores für die Situation der Kassandra, das allmähliche Begreifen, das Entsetzen des Chores, aber auch der ekstatische Zustand der Kassandra wurden als sprachliche Barriere abgebildet.
Ein Schlüssel zum Verständnis der antiken Tragödie ist die Tatsache, daß das athenische Publikum sich weitestgehend aus Experten zusammensetzte, da jeder Bürger Athens wohl zumindest einmal in seinem Leben selbst Mitglied eines tragischen oder eines Dithyrambos-Chores gewesen sein mußte und Jahr für Jahr den chorischen Aufführungen folgte. „The same politically active members of the male citizen community came in huge numbers to every festival and followed the work of the dramatists over a long period … The exceptional quality of dramatic writing in the classical period owes more to these social conditions than to an accident of the gene pool. The playwrights wrote complex plays because they had an audience capable of complex viewing.“[31]
Die theatrale Arbeit am Schlachthof dauerte mehr als eineinhalb Jahre, und sie lehnte die Aufteilung in Akteure und Zuschauer ab. Sie bot also kein Endprodukt, sondern Einblicke in das fortlaufende Projekt. Sie formte damit die Zuschauer zu kompetenten Teilnehmern, die auch bei der Abschlußveranstaltung den dargestellten Mythos als einen Ausschnitt aus dem großen Ganzen des Mythos rezipierten und die im Verlauf der Arbeit gelernt hatten, die im Schlachthof entwickelte Bewegungs- und Raumsprache zu verstehen. Auch damit erzielte die Gruppe einen zur Antike analogen Effekt: Die Kompetenz des Publikums entstand nicht durch eine vorausliegende und damit abgeschlossene Ausbildung, die etwa die Kenntnis des Mythos oder die Vertrautheit mit der poetischen Sprache hergestellt hätte, sondern durch die permanente Auseinandersetzung mit dem sich in der Wiederholung laufend ändernden und erneuernden Textmaterial.
[1] Projektleitung: Claudia Bosse, Josef Szeiler. Spieler: Maya Bösch, Markus Keim, Andreas Pronegg, Christine Standfest, Doreen Uhlig, Tina Zoufaly. Trainer: Wang Dongfeng, Loulou Omer, Sonja Schmidlehner u.a. Kostüme: Edwina Hörl. Fotos: Hélène Göhring, Christian Koblizek, Clemens Scharre. Gäste: Georg Danek, Christian Ofenbauer und andere (Stand: November 2000). [2] Antikenprojekt der Gruppe AngelusNovus: Aischylos, Prometheus (1983), Ilias-Lesung (1986), Hektors Tod (1987). Vgl. dazu die ausführliche Dokumentation TheaterAngelusNovus. AntikenMaterial VI. Tod des Hektor. Ein Dokumentationsentwurf von Aziza Haas, Maske und Kothurn. Internationale Beiträge zur Theaterwissenschaft 36, 1–4 (1990), Wien - Köln - Weimar 1994.
[3] Einzugslied des Chores des ‚Agamemnon‘ (Ag. 40–103), vertont von Stefan Hagel, Erstaufführung 1997 (vgl. P. von Möllendorff, Wenn der Diaulos erklingt … T¦ ™n Mon£cJ DionÚsia / Münchener Dionysien am 22. 7. 1997, Forum Classicum 4 [40], 1997, 204–209); Einzugslied des Chores der ‚Choephoren‘ (Cho. 22–83), vertont von Stefan Hagel, Erstaufführung 26. 5. 2000.
[4] Im folgenden konzentriere ich mich auf die Arbeit mit der Orestie, auch wenn es interessant wäre zu erkunden, inwiefern sich die beiden miteinander kombinierten Texte – Aischylos und Brecht – wechselseitig beleuchten, sowohl durch die auf der Hand liegenden inhaltlichen Parallelen (Fatzer ist ein Mann, der aus dem Krieg heimkehrt, gegen die herrschende Ordnung auftritt und den Umsturz plant) als auch durch die formalen Unterschiede.
[5] Eine eher symbolische Reverenz an den musikalischen Charakter der Tragödie bildete das zuletzt von der Gruppe einstudierte kurze Chorlied Ag. 1331–1342.
[6] Für diese Traditionslinien vgl. den exzellenten Überblick von H. Flashar, Inszenierung der Antike. Das griechische Drama auf der Bühne der Neuzeit, München 1991. Zur Orestie vgl. A. Bierl, Die Orestie des Aischylos auf der modernen Bühne. Theoretische Konzeptionen und ihre szenische Realisierung, Stuttgart - Weimar 1998.
[7] Für eine rezente Behandlung des Chores des Agamenmnon als Mitspieler vgl. R. Thiel, Chor und tragische Handlung im ‚Agamemnon‘ des Aischylos, Stuttgart 1993, mit nützlicher Zusammenfassung und Diskussion der vorausliegenden Forschung. Die Tendenz der Arbeit läßt sich ablesen am Titel des letzten Kapitels: „Der Chor als dramatische Person“ (441–456).
[8] Vgl. in diesem Sinne etwa D. Baur, Chor und Theater. Zur Rolle des Chores in der griechischen Tragödie unter besonderer Berücksichtigung von Euripides’ Elektra, Poetica 29 (1997), 26–47.
[9] P. Wilson, The Athenian Institution of the Khoregia: The Chorus, the City and the Stage, Cambridge 2000.
[10] Vgl. P. Wilson - O. Taplin, The ‚Aetiology‘ of Tragedy in the Oresteia, PCPS 39 (1993), 169–180 (170): „Tragedy … was conceived of in its contemporary setting as a choral performance … the choros remained the central focus of attention [sc., well into the classical period]“.
[11] H.-T. Lehmann, Theater und Mythos. Die Konstitution des Subjekts im Diskurs der antiken Tragödie, Stuttgart 1991 (vgl. etwa S. 58: „… daß anstelle der Taten das Verhältnis des Menschen zu seinem Tun Gegenstand des Diskurses wird“).
[12] Das folgende basiert auf den Darstellungen von Flashar und Bierl (o. Anm. 6).
[13] Flashar (o. Anm. 6), 60–81.
[14] Flashar (o. Anm. 6), 110–118; Bierl (o. Anm. 6), 26–29.
[15] Bierl (o. Anm. 6), 77–86.
[16] Bierl (o. Anm. 6), 54–77.
[17] Aischylos, Die Orestie. Eine freie Übertragung von Walter Jens, München 1979.
[18] B. Seidensticker (Hrsg.), Die Orestie des Aischylos, übersetzt von Peter Stein, München 1997. Vgl. Flashar (o. Anm. 6), 260–265; Bierl (o. Anm. 6), 31–35; 46–53.
[19] Vgl. dazu A. Henrichs, „Warum soll ich denn tanzen?“ Dionysisches im Chor der griechischen Tragödie, Stuttgart - Leipzig 1996. Der aktuelle Forschungsstand ist diskutiert bei A. Bierl, Der Chor in der Alten Komödie. Ritual und Performativität (unter besonderer Berücksichtigung von Aristophanes’ Thesmophoriazusen und der Phalloslieder fr. 851 PMG), München - Leipzig 2001, 1–104.
[20] Auch die Inszenierung der Orestie von Peter Stein adaptiert in dieser Hinsicht das antike Chor-Element über weite Strecken an die aus dem 19. Jh. übernommenen Sehgewohnheiten des heutigen Theaterpublikums.
[21] Zu den pragmatischen Bedingungen des Theaterbetriebs vgl. etwa D. Wiles, Greek Theatre Performance. An Introduction, Cambridge 2000.
[22] Vgl. dazu E. Pöhlmann, Die Proedrie des Dionysos-Theaters im 5. Jh. und das Bühnenspiel der Klassik, MH 38 (1981), 129–146 (= Studien zur Bühnendichtung und zum Theaterbau der Antike, Frankfurt/M. 1995, 49–62).
[23] Aischylos. Tragödien. Übersetzt von Oskar Werner, 5. Aufl., Zürich 1996.
[24] Welch erstaunlichen Anspruch Oskar Werner an seine eigene Übersetzung stellt, zeigt folgende Passage aus dem Nachwort zur Erstauflage der Orestieübersetzung (München 1948, 338): ,,… daß man das ursprüngliche Werk, ohne den Blick auf die Zusammenhänge im einzelnen wie auf das große Ganze zu verlieren, Wort für Wort, Silbe für Silbe, Laut für Laut nach Sinn, Klang, Rhythmus, nach Wortwahl, Wortfolge, Satzbau aus dem dramatisch erfaßten, möglichst sinngemäß und lebendig gesprochenen Griechisch in entsprechendes Deutsch umsetzt und neuformt. Das ist nach Möglichkeit – sie ist dank der Schmiegsamkeit, dem Reichtum und der Kraft unserer dem Griechischen stammverwandten Muttersprache gegeben – bei dieser neuen Übersetzung versucht.“
[25] Paus. 1, 28, 6, prîtoj dš sfisin A„scÚloj dr£kontaj ™po…hsen Ðmoà ta‹j ™n tÍ kefalÍ qrixˆn e�nai („als erster hat Aischylos inszeniert, daß sie [die Erinyen] Schlangen zusammen mit den Haaren am Kopf haben“).
[26] Vgl. K. Reinhardt, Aischylos als Regisseur und Theologe, Bern 1949.
[27] Vgl. dazu O. Taplin, The Stagecraft of Aeschylus, Oxford 1977.
[28] Vgl. dazu E. Pöhlmann, Realität und Fiktion auf der attischen Bühne des 5. und 4. Jh., WSt. 114 (2001), 31–46 (zur Orestie: 32–36).
[29] Vgl. Wiles (o. Anm. 21), 159–161.
[30] Vgl. G. Danek, ‚Singing Homer‘. Überlegungen zu Sprechintonation und Epengesang, WHB 31 (1989), 1–15 (1).
[31] Wiles (o. Anm. 21), 173. |
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